Krimi schreiben mit einer Facebook-Gruppe

Unglaublich, es ist jetzt schon zehn Jahre her, da habe ich mit Mitgliedern einer Hagener Facebook-Gruppe einen Krimi geschrieben. Er ist unter dem Titel „Mord an der Volme“ acht Monate später im Klartext-Verlag erschienen. Ein spannendes, aber sehr zeitintensives Projekt, aber damals war ich ja auch noch zehn Jahre jünger 🙂

Begonnen hat alles damit, dass ich bei Facebook das nebenstehende Foto hochgeladen habe mit der Bemerkung: „Und als Krimi-Autorin frage ich mich, ob an den Schutzhelmen die Bauarbeiter wohl noch dranhängen.“

Der Administrator einer Hagener Facebook-Gruppe hat daraufhin gepostet: „Der Polier betrat den frischen Beton. Viel zu spät bemerkte er, dass der Boden unter ihm nachgab. Unendlich langsam rutschte er tiefer und tiefer. Keiner hörte seine verzweifelten Rufe. Um diese Uhrzeit ist nämlich noch niemand in Hagen unterwegs…“ und fragte, ob ich nicht Lust hätte, in der Facebook-Gruppe mit den Hagener:innen einen Krimi zu schreiben.

Wie aus drei Sätzen ein Krimi wurde

Da ich für Experimente rund ums Schreiben immer zu haben bin, habe ich zugesagt und am 17. März die ersten drei Sätze eingestellt. Dann bin ich gemütlich zu meiner Mutter ins Münsterland gefahren, weil ich dachte, es dauert sicher einige Zeit, bis die ersten Kommentare kommen. Falsch gedacht. Als ich abends zurückkam, gab es bereits um die 100 Kommentare und die ersten fünf Seiten des Krimis. Jeden Tag wuchs der Krimi. Manche Teilnehmer schrieben einen Satz, andere ganze Absätze und wieder andere steuerten Ideen für Orte oder die Weiterentwicklung der Story bei. Ich habe immer versucht, all die Ideen zu Kapiteln zu verknüpfen und diese in einen Blog gestellt, wo die Teilnehmer den Fortschritt verfolgen konnten.

Irgendwann gingen die Ideen so durch- und vor allem auseinander, dass ich alles sortieren musste. 65 Manuskriptseiten kann keiner so eben mal lesen. Deshalb habe ich die Beiträge entwirrt und einen Täter gefunden, den die anderen nicht auf dem Schirm hatten. Schließlich soltel das Buch für alle spannend werden. Ein bisschen kam mir dann der Zufall zu Hilfe. Während ich an der Überarbeitung saß, veröffentlichte der Wochenkurier eine Liste der 100 Top-Touristenziele in Deutschland. Hagen war nicht dabei, also habe ich die Gruppenmitglieder gefragt, welches ihre Top-Touristenziele in Hagen sind. Mit vereinten Kräften kam eine stattliche Liste von 100 Zielen zusammen. Einige davon habe ich noch in den Roman eingebaut.

Im November 2013 konnten wir das Buch unter dem Titel „Mord an der Volme“ tatsächlich der Öffentlichkeit vorstellen, der Klartext-Verlag fand die Idee klasse und hat es in sein Programm aufgenommen. Ich glaube, es war das Buchprojekt, das ich in kürzester Zeit realisiert habe. Wenn ich mir anschaue, dass ich am 17. März die ersten Sätze eingestellt habe und nach acht Monaten das gedruckte Buch vorlag, dann weiß ich, warum ich am Ende der Sommerferien erschöpft statt erholt war.

Recherche zu Facebook-Krimis 2013

Bis zu unserem Projekt hatte ich mich nicht mit der Frage beschäftigt, ob jemand bereits einen Krimi bei Facebook geschrieben hatte. Also habe ich vor dem Interviewtermin hektisch gegoogelt und den Zwirbler gefunden, ein Projekt des Autors Gergely Terglasy- Der erste Facebook-Roman der Welt, der am 1. Juli 2010 begonnen wurde, ob und wie es weiterging, lässt sich nicht mehr überprüfen, da der Link zum Projekt nicht mehr exisitert. Das war’s zu dem Zeitpunkt. Es gab einige Romane, in denen Facebook eine Rolle spielte, aber keinen gemeinsam geschriebenen Krimi in einer bestehende Facebook-Gruppe. Das führte zu der Headline „Hagener schreiben am ersten Facebook-Roman“.

Kaum war der Artikel erschienen, meldete sich bereits jemand, der das „Urheberrecht“ für den Roman in der Facebook-Gruppe beanspruchte. Er hatte mit seiner Gruppe im Oktober 2012 ein Märchen geschrieben hatte, das mir bis dahin auch nicht bekannt war. Nun war ich doch neugierig geworden, ob es nicht doch irgendwo einen Krimi gab, der bei Facebook entstanden war und fand heraus, dass Sebastian Fitzek ein ähnliches Projekt im Januar 2011 gestartet hatte. Allerdings war die Teilnahme nur über eine App möglich und es wurde unter den Teilnehmern über die Beiträge abgestimmt. (Auch dieser Link ist nicht mehr verfügbar.)

In den USA hat jemand etwas Ähnliches versucht wie Sebastian Fitzek, Willy Chyrund hatte auch gleich einen Namen für die Art des Roman-Schreibens erfunden oder verwendet: Collabowriters. Also doch ein bisschen anders als bei uns. Unser Projekt ist höchstens vergleichbar mit dem Versuch, den eine Versicherungsgesellschaft gestartet hat. Ihr Krimi-Experiment war als Gewinnspiel gedacht und die Beiträge standen lose hintereinander. Wir wünschen uns einen Krimi, der spannend ist und in dem all jene Winkel Hagens vorkommen, an die man sich gerne erinnert.

Schließlich gab es noch das Projekt „Das Gegenteil von Henry Sy“ von Stephan Petermann, der das Leben eines fiktiven Menschen in der Facebook-Chronik über drei Monate hinweg geschaffen hat. Die User konnten die Entwicklung mitlesen, allerdings nicht mitschreiben. (Der Link, man ahnt es, ist nicht mehr verfügbar.)

Fazit: Ein vergleichbares Projekt, bei dem innerhalb einer bestehenden Facebook-Gruppe ein Krimi geschrieben wurde, habe ich 2013 nicht gefunden und jetzt nicht gesucht 🙂 © 2023 Dr. Birgit Ebbert www.birgit-ebbert.de