Reportage „Willkommen im Fußball“

Sagte ich schon, dass ich auch Reportagen im Auftrag von Institutionen schreibe? Eine super spannende Tätigkeit, weil ich dabei oft Projekte kennenlerne, von denen ich bis dahin  nicht gehört hatte. Zumal mein privater Interessensschwerpunkt eher im Bereich Kultur als Sport liegt. Umso schöner ist es, wenn mich Aufträge auch mal in andere Sphären katapultieren. Und was soll ich sagen – ich bin begeistert und sehe Fußball plötzlich mit neuen Augen.

Das Projekt „Willkommen im Fußball“

„Willkommen im Fußball“ ist ein Projekt der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und der Bundesliga-Stiftung. Schon im Herbst 2014 hat man sich in den Fußballverbänden erstmals Gedanken gemacht, was man für junge Flüchtlinge tun kann. „Während andere Vereine teils über Nachwuchssorgen klagen, hat der Fußball weiterhin einen hohen Zulauf“, erklärte Dr. Reinhard Rauball, Präsident der Deutschen Fußball Liga. Das gilt sowohl für den aktiven, als auch für den passiven Fußball, wie das Beispiel des BVB zeigt. Von 2004 bis heute hat sich die Mitgliederzahl von 22.000 auf 143.000 erhöht und Dr. Rauball muss das wissen, ist er doch auch noch Präsident des BVB. Dieses Interesse bietet auch die Chance, sich für Toleranz und Integration zu engagieren. Ein Projekt, das die Bundesliga-Stiftung mit der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung initiiert hat, ist „Willkommen im Fußball“. Zur Umsetzung werden vor Ort Bündnisse gebildet, zu denen jeweils ein Verein der 1. oder 2. Bundesliga gehört, ein Amateurfußballverein und eine Initiative, die sich für die Integration von Flüchtlingen engagiert. Das Bündnis sorgt vor Ort dafür, dass junge Geflüchtete in einem Stadion mit einem Profitrainer Fußball trainieren können. Dazu stellt sie Platz und Trainer bereit, aber auch Fußballschuhe, Trikot und Sportkleidung, Dinge, die sich die jungen Leute oft gar nicht leisten könnten. Neben dem Fußballtraining gibt es darüber hinaus einen Sprachunterricht im Anschluss an das Training, in dem die Projektteilnehmer jenseits des schulischen Sprachlehrgangs die Alltagssprache lernen und anwenden.

Das Dortmunder Bündnis „Willkommen im Fußball“

In Dortmund gibt es das Projekt „Willkommen im Fußball“ seit Herbst 2015. Hier haben sich der TSC Eintracht, die BVB-Stiftung „leuchte auf“ und die Initiative „angekommen in deiner Stadt Dortmund“ der Walter Blüchert Stiftung zu einem Bündnis zusammengeschlossen. „Anders als sonst oft“, hat mir der Vorstandsvorsitzende des TSC Eintracht mit einem Augenzwinkern verraten, „wurde hier mal zuerst der TSC angesprochen und wir haben den BVB mit ins Boot geholt. Der aber gleich zugesagt hat.“ Und jetzt spielt es sowieso keine Rolle, wer wen angesprochen hat. Bei dem Termin ist deutlich zu spüren, dass alle ein gemeinsames Ziel haben, den jungen Leuten, die oft einen unsicheren Aufenthaltsstatus haben, zu helfen, sich in Dortmund einzufinden, Kontakte zu knüpfen und die Sprache zu lernen. Immer mittwochmittags nach Schule oder Arbeit treffen sich die jungen Leute, derzeit noch alles junge Männer, im Stadion von TSC Eintracht. Nach einem gemeinsamen Mittagessen geht es auf den Platz und es wird trainiert. Im Anschluss daran findet ein Sprachkurs statt, bei dem die Jugendlichen auf unterhaltsame Weise und fußballnah die deutsche Sprache lernen.

Erfolge auf unterschiedlichen Ebenen

Die Bilanz nach einem Jahr sieht gut aus – die Jugendlichen sind begeistert und so fit in der deutschen Sprache, dass sie souverän neben dem Hauptgast, Daniela Schade, Lebensgefährtin des Bundespräsidenten Joachim Gauck und Schirmherrin der Kinder- und Jugendstiftung, sitzen und ihre Erfahrungen schildern. Ich hatte schon vorher mit ihnen gesprochen und habe dabei gespürt, was Fußball – aber auch sicher jedes andere Thema, das einem am Herzen hängt – auslösen kann. Als ich vorsichtig fragte, ob ich den einen oder anderen interviewen dürfte, schob jeder den anderen vor, bis sich einer ein Herz fasste. Aber dann kamen wir ins Gespräch und schließlich war ich umringt von den jungen Leuten und jeder wollte etwas sagen. Die Sorge, nicht gut sprechen zu können, war angesichts der Begeisterung für den Fußball und das Projekt völlig gewichen. Stattdessen rückte der Stolz auf die Mannschaft in den Vordergrund. „Wir haben einen 7. und einen 13. Platz von 90 Mannschaften in einem Turnier gemacht“, erfuhr ich. Und weiß nicht mal, in welcher der Gruppen mein Gesprächspartner mitgespielt hat, so sehr als Einheit empfinden sich die jungen Männer, die aus verschiedenen Nationen kommen, unterschiedliche Geschichten haben, aber eines gemeinsam: Sie wollen in Deutschland bleiben und Fuß fassen. Und dafür geben sie alles. Das bestätigte auch der Lehrer, der den Deutschunterricht erteilt. Er habe selten so motivierte Schüler erlebt, die lernen wollten.

Wie alle anderen Beteiligten sieht auch der Lehrer das Projekt „Willkommen im Fußball“ als eine Bereicherung für alle Seiten an. Die Jugendlichen verspüren Zugehörigkeit, sie lernen die Sprache und knüpfen Kontakte. Die Erwachsenen erleben zum einen eben diese Begeisterung und das Engagement, sich auf die neue Situation einzulassen, zum anderen aber auch, was Vernetzung bewegen kann.

„In diesem Projekt gibt es nur Gewinner“, fasst Dr. Alexander Kiel das erste Jahr zusammen. „Auch wir Initiatoren haben erlebt, was man gemeinsam erreichen kann und wie so etwas funktionieren kann.“ Und die Erfolge sind nicht auf das Projekt beschränkt. Wolfgang Euteneuer, der die Initiative „angekommen in deiner Stadt Dortmund“ der Walter Blüchert Stiftung vertritt, berichtet davon, dass über die Aktion „Willkommen im Fußball“ die Kontakte in die Stadt hinein, zu Unternehmen, Privatpersonen und Vereinen intensiver geworden ist. Ein Unternehmen hat für die jungen Leute ein Bewerbungstraining organisiert, andere haben gespendet und vor allem ist die Offenheit, Flüchtlingen einen Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zu bieten, gestiegen. Mich wundert das nicht. Ich bin auch begeistert und habe ja nur eine Momentaufnahme miterlebt. Auf jeden Fall wünsche ich weiterhin viel Erfolg dem Bündnis, den Jugendlichen und den Initiatoren, dass sie weiterhin Mittel und Power investieren können, um solche fruchtbaren Oasen zu schaffen. © Dr. Birgit Ebbert www.birgit-ebbert.de

Zum Artikel auf der Seite des Auftraggebers, der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung