Mein Wünsche-Buch-Projekt

Ein Herzensprojekt, an dem ich im letzten Jahr arbeiten durfte, ist das „Wünsche-Buch“-Projekt. Eigentlich sind es „nur“ 90-Minuten-Workshops in vierten Klassen, im letzten Jahr waren auch mal fünfte und sechste Klassen dabei, aber konzipiert habe ich es für vierte Klassen. In dem Workshop erarbeite ich mit den Kindern ihre Wünsche für die Zukunft – welche Berufe sie ergreifen möchten, was sie einmal erleben und besitzen möchten, wie sie leben möchten und was sie sich für die Welt und die Gemeinschaft wünschen. Das klingt hier so strukturiert, aber oft kommen all diese Wünsche von den Kindern schon, wenn ich sie zum Einstieg frage, was sie sich wünschen. Im zweiten Schritt versuche ich, die Wünsche nach Schwerpunkten zu strukturieren und danach schreibt jedes Kind in ein kleines, von mir gebasteltes Heft seine persönlichen Wünsche. Die Wünsche darf es am Ende des Workshops den anderen vortragen, das muss es aber nicht. Ziel ist schließlich, die eigenen Wünsche einmal festzuhalten, um später, wenn Entscheidungen anstehen oder die Motivation fehlt, nachzuschlagen, welche Wünsche das Kind in der vierten Klasse vor dem Übergang auf die weiterführende Schule hatte.

Die Rückmeldungen von Schüler:innen und Lehrer:innen waren fast durchweg positiv, nur eine Lehrerin fand, ich hätte mit den Kindern zu wenig theoretisch über Wünsche und Wünschen gesprochen, sodass die Kinder sich vor allem materielle Dinge gewünscht hätten. Das war die Klasse, in der zwei Jungen sich wünschten Präsident zu werden, der eine von Syrien, der andere von der Türkei – und zusammen wollten sie dann für den Weltfrieden sorgen. Viertklässler!

Natürlich haben die Kinder auch materielle Dinge geäußert, aber die haben wir Erwachsenen auch. Sie wünschten sich ein Auto und das nicht selten aus der Luxusklasse. Aber ein Junge wünschte sich auch ein Schokoticket (ein Ticket, mit dem das Kind den ganzen Monat innerhalb eines Bereichs kostenfrei Bus fahren kann!), viele wünschten sich Tiere, aber immer kam auch der Wunsch, dass es den Eltern, der Familie und den Freunden gut ginge und in jeder Klasse kam das Gespräch auf den Frieden, teilweise auch auf Klimaschutz. Kinder sind ein Abbild der Gesellschaft und das spiegelte sich auch in den Wünschen wider.

Zum Hintergrund des Projektes

Seit ich denken kann, fand ich Ziele und Wünsche hilfreich für mein Leben. Ich wusste, was ich tun musste, um etwas Bestimmtes zu erreichen. Das war lange bevor ich mich als Führungskraft mit dem Management durch Ziele beschäftigt habe. Bereits als Studentin hatte ich mir Ziele für die Lebensjahrzehnte gesteckt – bis 30 wollte ich zum Beispiel promoviert haben (am Tag vor meinem 31. Geburtstag fand die Prüfung statt 🙂 ). Und seit ich elf Jahre alt bin, vielleicht auch schon früher, aber seit ich elf bin ist es durch eine Schulfreundin, die sich erinnert, verbürgt, wollte ich Schriftstellerin werden. Es hat über 40 Jahre gedauert, bis ich das Gefühl hatte, ich sei dem Ziel nah. Aber das Ziel hat mich immer begleitet – bei der Auswahl der Schwerpunkte und Praktikat im Studium, bei der Auswahl von Projekten während meiner Angestelltentätigkeit (mein erstes Projekt im ersten Job war zum Beispiel das Buch „Wenn der Fernseher streikt“ 🙂 – kurz darauf habe ich einen Schreibwettbewerb initiiert und Schreibworkshop für Pädagog:innen mit dem Schriftsteller Tilman Röhrig).

Vor einigen Jahren habe ich dann begonnen, Kindheitsträume zu sammeln, einige davon finden sich in einem WordPress-Blog, der Aufruf zu der Sammlung wurde damals sogar in der ZEIT veröffentlicht. Ein Buchkonzept schlummert immer noch in meinem PC und auch ein Vortrag zu dem Thema. Aber es drängten sich andere Schwerpunkte vor. Als ich als Stadtschreiberin in Gotha war, hatte ich Zeit, das Projekt weiterzudenken und habe den Workshop konzipiert und in einer Klasse ausprobiert. (siehe Ende dieses Artikels) Leider habe ich kein Foto davon, aber der Lehrer bat die Kinder am Ende mit ihrem Daumen – in Facebook-Manier – zu zeigen, wie ihnen der Workshop gefallen hätte. Alle reckten beide Daumen in die Höhe.

Einige Workshops fanden im Rahmen der TalentTageRuhr statt – ich hoffe, dass ich auch in diesem Jahr wieder einige vierte Klassen besuchen darf. Aber auch so kann man mich buchen, der Workshop passt optimal in die zweite Hälfte der vierten Klasse, wenn die Kinder sich gedanklich schon mit der Zukunft beschäftigt haben.

Passend zu dem Projekt las ich heute Morgen in der „Psychologie heute“ von einer Studie mit Grundschulkindern, die in fünf Unterrichtsstunden lernten, sich Ziele zu setzen und daran zu arbeiten. Das Ergebnis: „Diese Fähigkeit verbesserte ihre Lesekompetenz, verringerte die Anzahl von Flüchtigkeitsfehlern und erhöhte die Wahrscheinlichkeit, dass sie das Gymnasium besuchen würden.“ (Heft 2-2023, S. 56) In meiner gesamten Lernbegleiter-Zeit habe ich das so oft erlebt, obwohl viele Eltern mir erklärt haben, das sei Quatsch, Kinder könnten keine realistischen Wünsche formulieren. Wer das glaubt, dem empfehle ich tatsächlich, in meinem Blog „Kindheitsträume“ zu stöbern. 🙂

19.11.2019 Kindheitsträume in Gotha

Nach den Aha-Erlebnissen in diesem Schreibsommer habe ich ein Konzept entwickelt, mit Kindern in zwei Schulstunden ihre Lebensträume zu erarbeiten. Meine Idee ist, dieses Projekt Grundschulen für die zweite Hälfte des vierten Schuljahres anzubieten. In der Zeit erlahmt oft die Motivation bei Schülern und Lehrkräften, weil die Empfehlungen für weiterführende Schulen ausgesprochen sind und alle wissen, dass die Kinder auf dem Absprung sind. Das heißt, dass der Druck des Unterrichtsstoffs nicht mehr so groß ist. Dann würde ich gerne in die Klasse kommen, meine Geschichte erzählen und mit den Kindern kleine Bücher entwickeln, in die sie ihre Wünsche schreiben.

Das habe ich nun heute ausprobiert, weil ich wissen wollte, ob das überhaupt funktioniert. Und bin überwältigt. Von den Ideen der SchülerInnen, von den Ergebnissen und von dem Feedback. Die Motivation schlechthin. Leider verbietet der Datenschutz Fotos der Kinder, aber als alle 19 Kinder auf meine Frage, ob es ihnen gefallen hat, ihre beiden Daumen in die Höhe gestreckt haben, habe ich eine Gänsehaut bekommen. Das wird eines der Bilder sein, die sich mir aus Gotha ewig in Erinnerung bleiben. Wenn ich wieder in Hagen bin, werde ich mit der Akquise an Schulen beginnen, ganz ohne Honorar werde ich das nicht umsetzen können. Aber ich frage beim Regierungspräsidium nach, ob es die Möglichkeit der Umsatzsteuerbefreiung für das Projekt gibt, das Ziel ist ja auch, einen Schulabschluss zu erreichen, indem sich die SchülerInnen selbst motivieren. Wenn ihr LehrerInnen in eurem Bekanntenkreis habt, gebt den Beitrag gerne weiter, ich habe ihn extra als PDF abgespeichert. Und wenn ihr eine Idee habt, welche Stiftung so etwas finanzieren könnte oder welcher Fördertopf oder Sponsor dafür in Frage käme, freue ich mich auch über Hinweise. Vielen Dank an diese Klasse 4 der Peter Andreas Hansen Schule in Gotha und euch für Hinweise! © 11-2019 Birgit Ebbert www.birgit-ebbert.de

Ein Gedanke zu „Mein Wünsche-Buch-Projekt

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