Beim Sortieren alter Unterlagen ist mir auch die Broschüre „Gewalt im Fernsehen“ wieder in die Hände gefallen, die ich vor vielen Jahren im Auftrag des Bundesministeriums für Frauen und Jugend konzipiert und geschrieben habe. Wenn ich das Inhaltsverzeichnis und die Texte anschaue, dann könnte ich die Broschüre, die damals in einer Auflage von 100.000 Exemplaren erschienen ist, genauso weitergeben und auf die heutigen Medien übertragen.
Die Entstehungsgeschichte der Broschüre
Ich arbeite schon lange nicht mehr bei der Aktion Jugendschutz und das Ministerium heißt inzwischen anders und Dr. Angela Merkel ist längst nicht mehr Bundesministerin für Frauen und Jugend und auch nicht mehr Kanzlerin, damals hat sie das Vorwort für meine Broschüre unterschrieben. Wer es verfasst hat, das weiß ich heute nicht mehr. Aber ich erinnere mich gut daran, dass Martin Arbeiter die Illustrationen angefertigt hat. Für die letzte Seite hat der Nachlassverwalter von Erich Kästner damals den Abdruck der „Ballade vom Nachahmungstrieb“ erlaubt.
Über den Inhalt der Broschüre
Jetzt habe ich alles noch einmal gelesen und bin doch ein bisschen stolz, dass ich schon damals die Wirkungen vielfältig gesehen habe und nicht nur – wie es in jener Zeit üblich – auf der Nachahmung herumgehackt habe. Das war ein ständiger Streit auf Lehrkraftseminaren zum Thema „Gewalt in den Medien“ – ich habe versucht deutlich zu machen, dass es keine eindimensionale Wirkung gibt und man immer Umfeld, Situation und Persönlichkeit betrachten muss. Aber in die Broschüre konnten mir die Lehrkräfte nicht hineinreden 🙂
Die drei Beispiele für den Umgang mit Fernsehen in der Familie finde ich auch noch immer gut: In „Familie Kaiser und ihr Chip-System“ gibt es ein Fernsehkontingent für die Woche, das die Kinder sich einteilen müssen. Je nachdem, was sie ansehen, müssen sie mehr oder weniger Chips aus ihrem Kontingent abgeben. „Familie Baum“ hingegen setzt auf Videoabende, an denen die Lieblingssendungen der Kinder gemeinsam angesehen werden, und bei „Familie Orlac“ sorgt ein Fernsehplan dafür, dass der Fernsehkonsum im Rahmen bleibt. Solche Tipps sorgten nun wieder für Diskussionen auf Elternabenden, weil immer mindestens ein Elternpaar anwesend war, das generell gegen Fernsehen war und meinen pragmatischen Ansätze wie das Fernsehen verteufelte. Aber die Ideen passen durchaus auch zu den heutigen Medien.
Die Broschüre endet mit Lektüretipps und den Adressen der Fernsehanstalt mit der Aufforderung, den Kontakt zu suchen, wenn einem etwas nicht gefällt. Witzig, dass ich vor zwei Wochen zum ersten Mal selbst meine Anregung aufgegriffen habe. Bis jetzt habe ich noch keine Antwort, ich warte weiter gespannt, ob ich je etwas höre oder ob diese ganzen Aufforderungen, sich als Zuschauer zu äußern, nur leere Versprechungen sind.